Rezensionen vom TTdJ
Dass es sich bei dem alljährlichen Theaterevent in der Unterzent nicht um ein
Kinderstück und auch nicht um ein ökologisches Tierdrama handelt wird
dem interessierten Zuschauer sehr schnell deutlich.
Kleists Todestag jährt sich im November zum 200. Mal und seine Komödie
"Der zerbrochene Krug" diente als Vorlage für das neue Stück der TEGS.
Unter der Leitung von Eleonora Venado und mit Unterstützung der
Stiftung der Sparkasse Odenwaldkreis haben 12 Jugendliche in einer
Montage Kleists geschickte Versuche. das eigentliche Verbrechen hinter
dem "zerbrochenen Krug" zu verschleiern, zum Anlass genommen, über die
Fragen: "Was ist wahr", "Was ist richtig" und "Was ist gerecht"
nachzudenken. Dabei haben die TEGS besonders in den aktuellen "neuen
Medien" viele moderne "Verschleierungstechniken" entdeckt. Sie zeigen,
wie das Fernsehen mit den schnellen Wechseln in unsere Wahrnehmung
eingreift und wie durch die geschickte Mischung eine neue Wirklichkeit
entsteht. Selbst benutzen die TEGS bekannte TV Formate, viel Musik und
Tanz in ihrem Stück. So wird der "Fall des Dorfrichters Adam" in der
fetzigen Inszenierung zu einem Feuerwerk für die Zuschauer.
A: Mama. sind die Dialoge auf der Bühne
ernst gemeint? B: Ja, doch, sie sind ernst
gemeint? A: Oder ist das ein
Spiel? B: Es ist auch ein Spiel. Ich hoffe, sie
spielen es mit uns
zusammen.
A: Aber sie geben die Regeln vor.
B: Sie machen Vorschläge. Wir können sie gemeinsam überprüfen.
A: Also ist es Ernst. denn es gibt Regeln?
B: Manche Regeln bemerken wir erst, wenn wir spielen. Manche Regeln
bilden sich auch erst im Spiel. Wenn wir alle Regeln aufgeben, dann
verliert unser Gespräch jede Form. Aber wenn wir unsere Spiele nur nach
den bestehenden Regeln spielen, dann wiederholen wir nur das Bekannte.
Dann steht nichts mehr auf dem Spiel.
A: Und was ist der Unterschied?
B: Im Leben gibt es Regeln, die wir nicht überschreiten, weil wir
andere oder uns selbst verletzen könnten. Im Spiel sind wir freier.
Wenn wir etwas entdecken in einem neuen Spiel, können wir es auch im
Leben versuchen anzuwenden.
A: Aber hier und jetzt zählt es nicht? Ich kann mich auch im Spiel
verletzen.
B: Du hast recht. Es zählt schon hier. Aber anders. Im Spiel und in der
Kindheit dürfen wir probieren, ohne für Fehler bestraft zu werden
Frei nach Martin Heckmanns, Vater Mutter Geisterbahn, Mai 2011
Durchblick
Nicht nur für Jugendliche ist die Welt eine unübersichtliche,
komplizierte und manchmal beängstigende, weil das, was in der Kindheit
galt, rapide wegbricht und mit neuen Haltungen gefüllt werden muss. Was
ist richtig, was ist real und wie will ich, dass die Welt mich sieht...
Kleists Krug spiegelt eine Welt wieder, die Schauplatz von äußerem und
innerem Chaos ist. Es verschwimmen Sein und Schein, weil die Figuren
die "wahrgenommene" Realität aus ihrem Blickwinkel, aus ihren
Einstellungen und ihren Interessen heraus erzählen. Wie viel
komplizierter wird es erst, wenn die mediale "Wahrheit" auch noch
mitmischt.
Wirklichkeit herstellen...
Mit diesem Stück von Kleist machen sich 12 Jugendliche auf den Weg die
Wirklichkeit zu entdecken. Der zerbrochene Krug hilft allerdings mehr
eine Realität zu hinterfragen und das Herstellen der Wirklichkeit zu
erkennen, als zu wissen, was jetzt „die Wahrheit ist und nichts als die
Wahrheit“.
Sichtweisen
Adam, der Richter, hat zwei Beulen und keine Perücke, Marthes Krug ist
zerbrochen, sie beschuldigt Ruprecht, den sie in Eves Zimmer beim Krug
erwischt hat. Ruprecht ist sauer, weil er Eve mit einem anderen gesehen
hat, der seiner Meinung nach den Krug zerbrochen hat. Licht hat eine
Perücke und will gerne Richter werden. Superman Walter soll aufklären.
Was sagt der Eisbär?
Klarsicht
Dieses Stück ist dramaturgisch als Montage zu verstehen, bei der
Elemente nicht in den Kontext eines ganzheitlichen Kunstwerkes
integriert werden, sondern nebeneinander stehen bleiben. Dabei werden
in Anlehnung an die Vorlage Kleists „Der zerbrochne Krug“ die Elemente
einer Gerichtsverhandlung beibehalten, Figurenkonstellationen (Adam,
Marthe, Ruprecht und Eve) übernommen und Originaltext verwendet.
Trotzdem ist der Umgang mit dem Material eher als frei und assoziativ
zu bezeichnen. Oft werden diese Assoziationen wieder in
„Fernsehformate“ gepackt oder es entstehen ganz neue Bezüge zu anderen
Genres wie z.B. die Titanic oder die Entstehung der Figur des
„Eisbärs“, der dann auch wieder sein Ende findet („Knut“). In der
Montage von Szenen schaffen nicht einzelne Elemente, sondern die
Verknüpfung der Elemente eine Form und artikulieren den Sinn des
Stückes.
Wirklichkeit steht für den Gegensatz zum
bloß
Möglichen, dann spricht
man auch von Dasein, und den Gegensatz zum Scheinbaren, dann spricht
man auch von Realität. (vgl. Schischkoff, Schmidt 1991: S. 783)