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(c) TEGS

19.11.2007

TEGS: Freud am Freischütz

Produktionsjahr 2006

Plakat Freud am FreischützRECT

„Freud am Freischütz“
– Die sehr freie Theaterproduktion der TEGS –
 nach Apel, Kind und Carl Maria von Weber

Im Laufe der 175 Jahre, die seit der Freischütz-Uraufführung und der 25 Jahre später erfolgten Geburt Freuds vergangen sind, hat sich viel verändert - sogar der deutsche Wald ist nicht mehr das, was er einmal war. Die Forstwirtschaft hat ihn als Wirtschaftsfaktor entdeckt, Oden-,- Schwarz- und sonstige „Waldvereine“ haben gepflegte Wanderwege angelegt, in den Waldgaststätten gibt's Pizza und Frascati, die Förster und Waldpächter fahren die Waldwege im dicken Toyota ab und zeigen an Waldgebietsgrenzen illegal parkende Fahrzeuge an, der Anteil der Frauen beim Jagen ist wieder auf 30 Prozent gestiegen...

Entsprechend hat sich unser Naturerleben geändert: Kein Schaudern mehr in wilden Waldschluchten, keine Geister mehr in Tannenwipfeln. Das Zielfernrohr mit Infrarotauge ist zuverlässiger als jede Freikugel. Der Wald ist entzaubert.

Jede Aufführung, die den „Freischütz“ in der traditionellen Form konserviert, rückt ihn damit für unser Erleben in die Ferne. Das kann unter Umständen ganz gut sein. Manchmal erkennt man Dinge aus der Distanz genauer als aus unmittelbarer Nähe. Im Fall des TEGS-Stückes „Freud am Freischütz“ erschien es der TheaterAg der Ernst-Göbel-Schule und ihrer Leiterin Eleonora Venado jedoch angebracht, die Geschichte aus der Ferne wieder nahe heranzuholen.

Um sich das Stück anzuverwandeln, musste allerdings -wie eigentlich immer wieder bei den eigenwilligen TEGS Produktionen- auf so einige dem „Freischützkenner“ lieb gewordene „Dekorationen“ verzichtet werden. Die TEGS veränderten Bühnenbild, Musik, Handlung, Figuren, Anfang, Schluss und auch den allseits bekannten Titel. Geblieben sind aber die bekannten Motive: Max hat keine Chance: ,,Nichts kann vor’m tiefen Fall dich retten...“ Er steht unter Druck. Ein Schuss entscheidet über Karriere, Liebe, gesellschaftliche Anerkennung. Er bringt in der Schule in allen Fächern hervorragende Leistungen, aber im Sportunterricht ist das Schießen wirklich nicht seins. Eine allseits bekannte Situation, in der ein Schüler zum Spickzettel, ein Sportler zu Anabolika und Steroiden, ein Politiker so manches Mal zur „Notlüge“ und Max eben zu den Freikugeln greift. Ja, alles unlautere Mittel, aber was will man da denn auch anderes machen? Doch was ist die wirkliche Ursache für Max' Niedergang? Die hübschen Teuflinnen? Hier haben die TEGS wieder ein besonderes theatrales Mittel eingesetzt und „den Teufel“ oder „das Böse“ hübsch verpackt und mit 5 Frauen gleichzeitig besetzt. Aber was genau ist denn „das Böse“? Von Menschen geschaffene Umstände? Das hessische Schulsystem? Und was ist das auch nur für eine Vorschrift, die alles von einem einzigen Schuss abhängig macht? Vielleicht sind die schönen Teuflinnen auch nur eine willkommene Ausrede für alle jene, die an den Umständen nichts ändern wollen...

Max und der Teuflinnen Weg führt in die Wolfsschlucht. Eine Schlucht, die auch noch heute bei Zwingenberg im Odenwald besichtigt werden kann. Beim Theaterstück der TEGS steht sie eher für eine unkultivierte, beängstigend chaotische Gegend in uns, deren Existenz Freud ja so treffend und seiner Zeit weit voraus beschrieben hat. Auf der einen Seite Natur pur, auf der anderen wohnen gefährliche Geister. Sie heißen Aggression, Mordlust, Gewalt, aber auch Sexualität. Wehe, wenn sie losgelassen. Für Carl Maria von Weber konnte noch eine wilde Waldschlucht diesen „verrufenen“ Ort darstellen. Die Schilder auf unseren heutigen Wanderwegen zeigen überall hin, nur nicht mehr in unser Inneres. Kann da im Jahr 2006 noch Schauder auf der Bühne entstehen? Die TEGS nehmen diese Herausforderung mit den heutigen Mitteln an. Es gibt nichts Böses, außer man tut es. Kugeln gießen im Wald mit Beschwörungsformeln ist ja ganz nett, aber was soll uns dabei erschrecken? Ja, als Kinder konnte uns das noch schaudern machen, und die kleine Erinnerung daran haben wir lieb gewonnen. Doch so harmlos ist das Vergehen von Max nicht. ,,War ich denn blind?“ so fragt er sich im Freischütz - Jeder hat seinen eigenen Blick auf die Wirklichkeit. Max ist irritiert, er hat den Glauben an seine Sicht der Dinge verloren. Die Teuflinnen „schenken“ ihm ein anderes Sehen. Eine Illusion, und nur mit der will er leben.